In den letzten Jahren hat sich
der Tauchsport in der DDR sehr schnell entwickelt. Die Zahl der Menschen, die an dieser
schönen Sportart Gefallen finden, ist ständig im Steigen begriffen. Im Gegensatz dazu
ist jedoch die materiell-technische Basis hinter dieser Entwicklung zurückgeblieben. Das
ist auch der Grund dafür, daß in den Gruppen der GST (Gesellschaft für Spoort
und Technik) und in den Interessengemeinschaften sowie in unserer Zeitschrift die
Probleme der nicht ausreichenden Erzeugung und Belieferung mit qualitativ hochwertigem,
aber für eine wirtschaftliche Fertigung konstruierten Tauchzubehöre schon oft Gegenstand
der Diskussion waren.
Diese negative Seite der Tauchsport-Entwicklung ließ jedoch der Eigeninitiative viel
Raum, und es gibt eine Reihe von fleißigen "Konstrukteuren", die für sich
selbst gute Kameras, Lungenautomaten, Tauchanzüge usw. herstellten. Bedauerlich ist, daß
viele dieser Initiatoren die Bemühungen um die Verbesserung der Versorgung mit
Tauchzubehör aufgaben, weil keine zentrale Unterstützung und Lenkung erreicht werden
konnte.
Eine entscheidende Rolle wird auch in diesen Fragen dem Zentralen Tauchsportklub der GST
zukommen.Im folgenden
möchte ich einen Fall schildern, der symptomatisch für die Schwierigkeiten ist, auf die
man stößt, wenn Tauchsportartikel industriell hergestellt werden sollen.
Anfang des Sommers 1960
trafen sich am Stechlinsee der alte Tauchsporthase und gute Mechaniker Gerhard Steinert,
niedergedrückt von vielen bösen Erfahrungen, und der unterzeichnende Neuling, voll von
Ideen und Optimismus, daß bei richtiger Organisation alles klappt. Beide ergänzten sich
in ihren Anschauungen und schmiedeten Pläne. Man begann zu konstruieren, Material zu
beschaffen ind zu bauen. Das Ergebnis war der Prototyp SW 63, ein einstufiger
Lungenautomat von robuster Bauart, kleinen Abmessungen und verblüffend guter Leistung,
der im Spätsommer vorlag.
Dem ersten Muster folgte eine kleine Serie
von einigen Reglern, die im Sommer 1961 und 1962 in Tauchtiefen bis 35m fleißig getestet
wurden. Nun begann der Leidensweg, denn der leistungsfähige Regler SW 63 sollte, da er
den bisherigen Stand der Technik in der DDR übertraf, industriell gefertigt werden. Grund
genug, einen Verbesserungsvorschlag (VV) einzureichen, um die notwendige Unterstützung zu
erhalten.
Der VV beinhaltete u. a. folgendes:
Die stürmische Entwicklung des Tauchsports,
sowohl in den westeuropäischen Ländern als auch in der SU und den anderen
sozialistischen Ländern, findet auch bei den tauchsportbegeisterten Menschen in unserer
Republik ihren Niederschlag. Es gilt, diesen schönen Sport durch den Bau von
Tauchsportzubehör stärker zu fördern.
Durch das Fehlen geeigneter und preisgünstiger industriell gefertigter Geräte beträgt
nach unseren Einschätzungen der Anteil des Eigenbaues an den im Einsatz befindlichen
Geräten weit über 60%.
Die Beschaffung von Einzelteilen, wie Atemschläuchen, Mundstücken, Ventilen usw.,
stößt auf große Schwierigkeiten, weil der VEB Medi Leipzig den Verkauf aus
Sicherheitsgründen ablehnt. Die Folgen sind "Eigenkonstruktionen", die
mechanisch und konstruktiv oft so primitiv sind, daß sie lebensgefährliche
Taucherunfälle zur Folge haben können.
Es wurde vorgeschlagen, ein billiges und narrensicheres Sporttauchgerät zu bauen, das aus
drei Grundelementen bestehen sollte:
1. Lungenautomat SW 63,
2. zwei 5-1- bzw. ein oder zwei 7-1-Stahlflaschen mit einer Ventilreserveschaltung,
3. Tragegestell aus Rohrbügel.
Der SW 63 ist ein leistungsstarker leichter
Einstufen-Regler kleiner Abmessung. Zu bemerken wäre noch, daß mit nach diesen
Grundprinzipien konstruierten Reglern in Italien und Frankreich Tauchtiefen von 60m
erreicht werden.
Für die serienmäßige Herstellung besteht die Möglichkeit, auf den Einsatz von
Buntmetall zu verzichten und mit V-2-A-Stahl oder Einbrennlacken zur Oberflächenveredlung
zu arbeiten.
Interessant ist die Gegenüberstellung
einiger technischer Daten:
| |
Regler 713 |
Regler SW 63 |
| Gewicht: |
3600 g |
950 g |
| Atemwiderstand bei einem
Durchlaß von 30 l/min: |
? mm WS |
48 mm WS |
| Zugelassene Tauchtiefe: |
15 m |
20 m |
| bei größeren Tiefen: |
Atemwiderstand
steigt |
Atemwiderstand
sinkt |
| Ausnutzung der Atemluft: |
Rest etwa 20
Atü |
Rest maximal 4
Atü |
Auf Grund des mechanisch
robusten und unkomplizierten Aufbaues des Reglers SW 63 können die Herstellungs- und
Materialkosten gegenüber dem PTG 713 erheblich gesenkt werden.
Soweit der Inhalt des 1960 eingereichten VV.
Jetzt begann der Vorgang zu wachsen,
wie es in der Sprache der Bürokratie heißt. Die chronologische Aufrechnung ergibt bis
jetzt 72 Titel. Am objektivsten war noch die Arbeit des DAMG und des DAMW (Dt.
Amt für Meßwesen und Warenprüfung).
Die größte Kraft, den "Unberufenen" zu beweisen, wie nichtsnutzig ihre
Gedanken und Bemühungen waren, entwickelte jedoch der VEB Medizintechnik Leipzig (oder
die "Arbeitsgruppe Tauchgeräte"?), der, man verzeihe diese Offenheit, seit
Jahren wohl keine fremde Idee oder Initiative duldet.
Vielleicht hätten wir schon seit Jahren eine größere Anzahl guter Tauchgeräte
exportieren können. Der Regler des PTG 713 hat uns, so glauben wir, davor
"bewahrt". Der Volkswirtschaft entstand Schaden, und anstatt zu exportieren,
mußten wir importieren, um z. B. für den Arbeitsschutz und auch für andere
Dienststellen leistungsfähigere Geräte zur Verfügung zu haben. Für Arbeitsschutzzwecke
gab es am SW 63 sehr viel Interesse bei der Staatlichen Plankommission und dem
Volkswirtschaftsrat. Eine Verwendung erfolgte jedoch nicht.
Was ergaben nun die Gutachten, die u. a. auf Grund von praktischen Versuchen durch Armee
und Feuerwehr und durch Labortest ermittelt wurden:
Gutachten des DAMG vom 16. 3. 1961 (auszugsweise)
Atemwiderstand geringer als bei den bisher bekannten
Konstruktionen.
Da durch dieses Gerät eine empfindliche Lücke auf dem Gebiet der Sporttauchgeräte bis
zu 20 m Tauchtiefe geschlössen wird, ist von seiten des DAMG gegen die Aufnahme der
Nullserie nichts einzuwenden.
Gutachten des DAMW vom 27. 6. 1961 (auszugsweise)
Das Gerät wurde bis zu einer Tauchtiefe von 20m in
allen Schwimmlagen getestet. Es ergab sich subjektiv, daß sich der Regler SW 63 gut atmen
läßt. Um objektive Angaben zu erhalten, wurden die Meßergebnisse des DAMG angefordert
(siehe Meßwertkurven). Aus den Meßwerten ist zu ersehen, daß der Strömungswiderstand
bei 30 l/min etwa 48mm WS beträgt und bei geringerer, auch höherer
Strömungsgeschwindigkeit - bedingt durch die Injektordüse - geringer wird.
Selbstverständlich ist der ermittelte Wert noch kein Idealwert, denn der liegt bei 10mm
WS.*) Doch besteht gegenüber den in der DDR hergestellten Reglern eine Verbesserung.
Abschließend kann aber gesagt werden, daß der Regler einwandfrei gearbeitet hat und die
Tauchtests positiv abgelaufen sind.
 |
*) Wo dieser Wert erreicht wurde, ist uns nicht
bekannt. Einer der besten Lugenautomaten, der MISTRAL, hat bei gleicher Leistung einen
Strömungswiderstand von 50 mm WS und bei höherer Strömungsgeschwindigkeit steigt der
Widerstand leicht an. LINKS:
Atemwiderstand in Abhängigkeit von der Luftströmung
durchgehende Linie
- Messung bei Flaschendruck 150 kp/cm2 Überdruck
gestrichelte Linie
- Messung bei Flaschendruck 127 kp/cm2 Überdruck
Die Differenz zwischen den beiden Kurven ergibt sich aus dem Unterschied bei ansteigendem
und absinkendem Durchsatz während der Prüfung. |
In einem Massenbedarfsgüter-Wettbewerb in
Berlin erhielt der Regler einen Preis in Höhe von DM 1000,-. Auf der MMM wurde er
ausgezeichnet, und seit 1961 besteht für den SW 63 ein Gebrauchsmuster.
Trotz dieser positiven Ergebnisse wurde der Bau des Reglers abgelehnt. VEB Medizintechnik
teilte uns im Mai 1962 mit, daß sich ein neuer zweistufiger Regler in der Entwicklung
befindet und eine Verwendung unserer Konstruktionsgedanken für dieses Gerät abgelehnt
wird.
Zweistufige Automaten sind aber teurer und kompliziert. Sie haben zwar für große
Aufgaben immer noch ihre Bedeutung, aber vielleicht wurde hier das Weltniveau falsch
verstanden.
Die Entwicklung nur des 2-Stufen-Automaten im VEB Medizintechnik Leipzig bringt keine
Lösung des Gesamtproblems. Die Stagnation der Entwicklung in den letzten Jahren hat eine
zu große Lücke im Bau von leichten Sporttauchgeräten hinterlassen.
Eine optimale Lösung durch den Bau eines guten einstufigen Reglers sollte zumindest
geprüft werden.
 |
Schnitt durch den SW 63 1 Gehäuseunterteil
2 Sekundärhebel
3 Lagerbock (sekundär)
4 Primärhebel
5 Grundplatte
6 Ausatemrohr
7 Gehäuseoberteil
8 Ventil
9 obere Membranscheibe
10 Membrane
11 untere Membranscheibe
12 Spannring
13 Einatemrohr
14 Injektordüse
15 Hauptstück
16 Stößel
17 Ventilverschlußkörper
18 Feder
19 Anschlußmutter
20 Kupfergazesieb
21 Siebschraube
22 Einstellschraube
23 Einstellschraube |
24 Lagerhülsen (primär)
25 Hebelachse (primär)
26 Hebelachse (sekundär)
27 Dichteinlage |
28 Ausatemöffnungen
29 Dichtung
30 Ventilsitz |
Der SW 63, der nicht viele Jahre Vorlauf
für Konstruktion, Musterbau und Serie brauchte, hat sich in den letzten Jahren bewährt.
Einige Tauchsportgruppen, die eine Anzahl handwerklich gefertigter Regler erhielten,
lobten die guten Leistungen und die moderne Formgebung. Die vielen Nachfragen können aber
durch Einzelanfertigung nicht befriedigt werden.
Die Bemühungen zur industriellen Fertigung des Reglers
werden weiter fortgesetzt. Betriebe, die bereit sind, die Produktion aufzunehmen, werden
sich finden. Vielleicht helfen nun staatliche Stellen, die Genehmigung zur Produktion zu
bekommen, wobei es wichtig erscheint, in erster Linie komplette Tauchgeräte zu bauen.
Den Bedarf wollen wir über unsere Tauchsportzeitschrift "poseidon" ermitteln.
Der aus MS hergestellte, hochglanzverchromte Regler komplett mit Schläuchen, Mundstück
und einigen kleinen Ersatzteilen kostet in Einzelanfertigung etwa DM 250,-. Es ist damit
zu rechnen, daß die Serienfertigung einen günstigeren Preis zuläßt.
Wir möchten deshalb alle Interessenten bitten, auf einer Postkarte der Redaktion
"poseidon" bis spätestens Ende September d. J. ihren voraussichtlichen Bedarf
für die nächsten Jahre mitzuteilen. Anfragen über Einzelheiten sind an den Autor zu
richten.
Falls die Produktionsaufnahme durch einen Betrieb nicht
in Kürze möglich ist, besteht die Absicht, durch eine sozialistische Arbeitsgemeinschaft
diesen hochwertigen Regler in einer Kleinserie zu fertigen. Beispiele für eine derartige
Arbeitsweise gibt es beim Bau der Melkus-Rennwagen, die sogar in die SU exportiert werden,
oder bei der Herstellung des Prüfgerätes für Radio und Fernsehen "Tobitest".
Hoffen wir aber, daß sich schnell ein Betrieb findet, der den einstufigen Regler SW 63
mit einem modernen Tragegestell und Leichtstahlflaschen mit Ventilreserveschaltung als
Sporttauchgerät herausbringt.
Karl-Heinz Werner
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